LSB-Präsident Jochen Borchert im Interview
"Vereine haben teilweise dramatische Einnahmeverluste!"
02.05.2020 – Deutsche Presse-Agentur (dpa)
Wie bewerten Sie die Auswirkungen der Corona-Krise für die Vereine und Verbände in Ihrem Bereich?
Teils unkritisch, teils dramatisch schlecht. Vereine, die sich nahezu ausschließlich über die Mitgliedsbeiträge finanzieren, geraten in aller Regel nicht in größere finanzielle Schwierigkeiten. Vereine mit größeren wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben und Zweckbetrieben haben teilweise dramatische Einnahmeverluste durch den Ausfall des Spielbetriebs, durch ausfallende Kurse, Trainingscamps, etc. Bei den Verbänden sind insbesondere die mit eigenen Sportschulen massiv betroffen, da hier - wir wissen alle noch nicht wie lange – von jetzt auf gleich alle Übernachtungen, Seminare, Camps, etc. ausgefallen sind. Da die Vereine und Verbände als gemeinnützige Organisationen nur in begrenztem Umfang Rücklagen bilden dürfen, können sie hier sehr schnell in Zahlungsschwierigkeiten und damit in Insolvenzgefahr geraten. Hier muss ein Soforthilfe-Programm für Vereine, wie jetzt durch das Land auf den Weg gebracht, greifen und schützen.
Wie hoch ist der zu erwartende finanzielle Schaden für den Sport in Ihrem Bundesland?
Der Schaden ist immens – wenn auch nicht ganz genau zu beziffern. Fakt ist ja: Trotz ihrer Gemeinnützigkeit sind viele der über 6.000 Sportvereine in Rheinland-Pfalz auch unternehmerisch tätig, zum Beispiel in steuerbegünstigten Zweckbetrieben, in der steuerbegünstigten Vermögensverwaltung, wie zum Beispiel durch Verpachtungen und schließlich auch in voll steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben, wie zum Beispiel dem Betrieb eines vereinseigenen Fitnessstudios, eines Schwimmbades und einer Gastronomie. Im unternehmerischen Bereich erleiden die Sportvereine mit der vollständigen Einstellung des Sportbetriebes seit dem 16. März massive Einnahmeverluste. Dem stehen in vielen Vereinen Fixkosten gegenüber wie etwa Mieten oder Personalkosten.
Innerhalb weniger Tage haben der LSB und die drei regionalen Sportbünde Rheinland, Pfalz und Rheinhessen daher in Abstimmung mit dem rheinland-pfälzischen Innenministerium eine elektronische Abfrage bei den Sportvereinen in RLP durchgeführt. Ziel war es, die Anzahl und Schadenshöhe der Vereine zu ermitteln, bei denen eine Existenzgefährdung drohen könnte. Nach dieser ersten Bestandsaufnahme haben rund 25 Prozent der Vereine Existenzsorgen wegen möglicher Verluste oder Einnahmerückgänge durch die Corona-Krise konkret geäußert. Grob geschätzt könnte der Schaden nur der existenziell bedrohten Vereine im mittleren einstelligen Millionenbereich liegen.
Was sind für Sie und den Sport in ihrem Bundesland die größten Herausforderungen in der Corona-Krise?
Für den organisierten Sport im Land ist es eine der größten Herausforderungen dafür zu sorgen, denen zu helfen, die es dringend brauchen. Insofern gilt es mit aller Kraft zu verhindern, dass möglicherweise Insolvenzen nahen und unsere Vereine existenziell bedroht werden. Zudem gilt es grundsätzlich auch mittel- und langfristig die Funktions- und Leistungsfähigkeit unserer Vereine und Verbände aufrechtzuerhalten. Der Sport ist ein wirtschaftlicher und vor allem an der Basis mit viel ehrenamtlichem Herzblut gelebter sozialer Pfeiler eines Gesellschaftssystems. Sport steht wie kaum ein anderer Lebensbereich für gesellschaftliches Miteinander, für Zusammenhalt. Er ist in Tausenden von Vereinen, vom Bambini-Kicken bis zur Seniorengymnastik, ein elementarer Teil von Freizeit, Erziehung, Bildung und Gesundheit. Dies gilt es zu bewahren!
Sport steht wie kaum ein anderer Lebensbereich für gesellschaftliches Miteinander, für Zusammenhalt.
Welche Maßnahmen ergreifen Sie, um Vereine und Verbände zu unterstützen? Braucht es mehr Unterstützung aus der Politik?
Mit dem digitalen Meldesystem haben die vier Sportbünde in RLP zu erwartende finanzielle Schäden im organisierten Sport online abgefragt. Die über 6.000 Vereine und 250 Fachverbände in Rheinland-Pfalz waren aufgerufen, uns gravierende Einschnitte anzuzeigen. Wir wollten Fakten sammeln und einen Überblick bekommen, von welchen Summen und Bedarfen wir im organisierten Sport reden. Das haben wir erreicht und die Grundlage für den jetzt vorgestellten Rettungsschirm geschaffen.
Mit der Unterstützung aus der Politik sind wir zufrieden. Klar, mehr geht immer. Aber wir sind der Auffassung, dass mit bis zu 12.000 Euro Zuschuss einem ganz überwiegenden Teil der Vereine geholfen wird, zumal diese Zuschüssen nicht zurückgezahlt werden müssen. Die entsprechenden Anträge der Vereine sind ab dem 4. Mai 2020 unter www.lsb-rlp.de abrufbar.