Gruppe beim Interview.
K. Ryan

LSB-Leistungssport, Sporthilfe und Olympiastützpunkt skizzieren ihre Pläne in Richtung der Olympischen Spiele 2028

„Am Ende sind wir nur noch Fan.”

08.11.2024 –  Dominik Sonndag

Nachdem bei den Olympischen und Paralympischen Spielen in Paris insgesamt 24 rheinland-pfälzische Spitzensportler*innen mit von der Partie waren und dabei eine Medaille gewinnen konnten, haben sich der Landessportbund, die Sporthilfe Rheinland-Pfalz und der Olympiastützpunkt Rheinland-Pfalz/Saarland (OSP) für die Spiele 2028 in Los Angeles höhere Ziele gesteckt. 

LSB-Hauptgeschäftsführer Thomas Kloth (in Personalunion Leistungssport-Abteilungsleiter), Sporthilfe-Geschäftsführerin Anne Zabel und OSP-Leiter Michael Fuchs geben in einem Interview einen ersten Einblick in ihre Konzepte, Strategien und Hoffnungen für L.A. – und erklären, vor welchen Schwierigkeiten und Herausforderungen sie dabei aktuell stehen.

Wir müssen es schaffen, die perspektivsreichsten Sportler*innen über vier Jahre bestmöglich zu unterstützen.
Anne Zabel, Sporthilfe-Geschäftsführerin

Am 1. Januar wird es ernst, dann startet der neue olympische bzw. paralympische Zyklus. Was ist das Ziel für die Spiele in vier Jahren?

Anne: Unser Ziel ist es, dass mehr rheinland-pfälzische Sportler*innen in Los Angeles an den Start gehen. 

Michael: Dem kann ich mich nur anschließen. Für mich als OSP-Leiter ist natürlich auch wichtig, dass es Athlet*innen sind, die dem OSP Rheinland-Pfalz/Saarland zugeordnet sind. Beispiel Julian Weber: Er ist in Rheinland-Pfalz ausgebildet worden und er startet weiter für den USC Mainz, aber wegen seines Lebensmittelpunktes in Berlin wird er auch dort dem OSP zugeordnet. So ist das Team RLP aus meiner Sicht etwas anders zusammengesetzt als das der Sporthilfe oder des LSB. 

Und wie viele Teilnehmende sollten es aus eurer Sicht sein?  

Anne: Das Ziel ist es, dass wir die Zahl von Paris übertreffen. 

Thomas: Für die olympischen Spiele haben wir uns 18 bis 20 Teilnehmer*innen mit Vereinsstartrecht für RLP als Ziel gesetzt und kommuniziert. 

Michael: Die genannte Zahl fände ich auch ganz schick. Im Idealfall sind diese natürlich alle dem OSP Rheinland-Pfalz/Saarland zugeordnet. 

Thomas, wie soll der LSB dazu beitragen, dieses Ziel zu erreichen? 

Thomas: Die Grundlagen für das Erreichen dieser Zielsetzung haben wir aufgrund einer engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Ministerium des Innern und für Sport in den letzten Jahren gelegt. An erster Stelle muss man in diesem Zusammenhang die Traineroffensive (Neue Richtlinie zur Bezuschussung von hauptamtlichen Trainer*innen und Verdreifachung der Fördermittel in diesem Bereich) nennen. Das Thema Trainer*innen hat für uns höchste Priorität. Außerdem konnten die Zuweisungen für die Talentförderung in den (Landes-)Fachverbänden verdoppelt werden. Hinsichtlich der Stützpunkte auf Landesebene konnten wir mit einem neuen Anerkennungs- und Prüfverfahren die finanziellen und strukturellen Rahmenbedingungen verbessern. Auch wenn wir auf einem ordentlichen Weg sind, gibt es noch viel zu tun.

  • Thomas Kloth, Hauptgeschäftsführer und Abteilungsleiter Leistungssport im LSB.

    "Wir konnten die Zielstellungen unter Berücksichtung unserer Möglichkeiten und Ressourcen erreichen", blickt LSB-Hauptgeschäftsführer und Abteilungsleiter Leistungssport, Thomas Kloth, auf die Ergebnisse der Olympischen Spiele 2024 in Paris zurück.

    K. Ryan

Als Landessportbund ist man in erster Linie für den Nachwuchsleistungssport verantwortlich, wo sollen Hebel zur Optimierung der Leistungen angesetzt werden? 

Thomas: In Anlehnung an die Befragung unserer (Landes-)Kaderathlet*innen, die wir 2023 durchgeführt haben, sind das weiterhin folgende Schwerpunkte: Trainer*innen, finanzielle Unterstützung und Infrastruktur. Wir orientieren uns dabei immer an den Wünschen und Bedarfen der Athlet*innen. 

Gibt es Dinge, die in der zurückliegenden Olympiade nicht optimal gelaufen sind bzw. in welchen Bereichen siehst du noch signifikantes Verbesserungspotenzial? 

Thomas: Verbessern kann man sich immer. Allerdings konnten wir die Zielstellungen, die wir uns im laufenden Zyklus vorgenommen hatten, unter Berücksichtigung unserer Möglichkeiten und Ressourcenerreichen. In Zukunft werden wir uns über den neu zusammengesetzten Präsidialausschuss Leistungssport (PA-L – siehe unten) noch enger mit den Partnern abstimmen. 

Anne: Grundsätzlich gebe ich Thomas recht. Verbesserungspotenzial gibt es sicherlich immer. Man darf allerdings nicht vergessen, dass Neuerungen immer nur im Rahmen der finanziellen und personellen Strukturen der Organisation umgesetzt werden können. 

Michael: Da muss ich mich enthalten, denn ich bin erst in den allerletzten Zügen der Vorbereitungen auf Paris zum OSP hinzugestoßen. Jetzt etwas zu kritisieren, das vor meiner Zeit möglicherweise nicht optimal lief, wäre nicht fair gegenüber meinen Kolleg*innen vom OSP. 

Anne, kannst du uns in groben Zügen das neue Konzept der Sporthilfe erläutern – und an welchen Stellen nachjustiert wird? 

Anne: Die Sporthilfe Rheinland-Pfalz fördert seit 35 Jahren Spitzensportler*innen in olympischen und paralympischen Sportarten, vor drei Jahren sind auch die deaflympischen Sportarten hinzugekommen. Hierfür wenden wir über unser Spitzensportförderprojekt „Team Rheinland-Pfalz“ zwei Millionen Euro pro Olympiade auf. In Abgrenzung zum Landessportbund, der sich auf die Förderung des Nachwuchsleistungssport konzentriert und seine Förderung an die Vereine und Verbände leistet, ist unser Spitzensportförderprojekt auf eine direkte Förderung der Athlet*innen im Aktivenbereich (ab Perspektivkader aufwärts) ausgerichtet. Uns ist in den zurückliegenden Jahren immer wieder zu Ohren gekommen, dass perspektivreiche Sportler*innen im Nachwuchsbereich in benachbarte Bundesländer abgewandert sind, zu denen wir als Sporthilfe noch keinerlei Kontakt hatten. Die Gründe hierfür waren meisten strukturell geprägt. Wir als Sporthilfe haben daher bereits 2019 Förderprojekte zur Förderung des Nachwuchsleistungssports initiiert. Diese zielen darauf ab, die Nachwuchssportler*innen und deren Eltern mit besonders hohen Aufwendungen zu entlasten und den Bekanntheitsgrad der Fördermöglichkeiten über unsere Stiftung zu stärken. Zu nennen ist hier die Internatskostenbezuschussung für NK1- und NK2-Athlet*innen.

  • Anne Zabel, Sporthilfe-Geschäftsführerin

    Anne Zabel, Geschäftsführerin der Stiftung Sporthilfe Rheinland-Pfalz, erklärt die neuen Konzepte in der Olympiade bis L.A. 2028.

    K. Ryan

Was sind in diesem Zusammenhang die spannendsten Projekte, die ihr in den kommenden Monaten angehen werdet? 

Thomas: Wir werden für eine Lohnsteigerung der hauptamtlich tätigen Trainer*innen werben, wir optimieren die Talentsichtung an den Standorten Mainz, Kaiserslautern und Koblenz durch die Verknüpfung mit dem von Seiten des Sportinstituts der Universität Mainz wissenschaftlich begleiteten Projekt “MeinSport”. Das schon im Vorfeld zu Paris 2024 erfolgreiche Projekt “Ticket nach Olympia” soll fortgeführt werden und es soll die ein oder andere Zusatzförderung für neue olympische Sportarten (Squash, Flagfootball, Lacrosse, Baseball, Cricket) geben. 

Anne: In diesem Jahr wurde ein weiteres Projekt – „Perspektive Spitzensport“ – auf den Weg gebracht. In diesem sollen bis zu zehn international erfolgreiche NK1-Athlet*innen in olympischen Sportarten über einen Zeitraum von zwei Jahren finanziell gefördert werden, um im besten Fall den nahtlosen Übergang in den Perspektivkader zu schaffen. 

Michael: Wir versuchen die Athlet*innen so individuell wie möglich zu unterstützen . Als neues Projekt ist die sportmedizinische Betreuung in Kaiserslautern zu nennen. Diese befindet sich gerade im Aufbau und wird regional einen Fortschritt bringen. 

Welche der 24  Olympia- und Paralympicsteilnehmer*innen von Paris werden in L.A. sicher nicht mehr antreten? 

Anne: Bei unserem Olympiaempfang in Worms haben alle Olympia-Starter*innen verkündet, ihre Karrieren fortsetzen zu wollen.  

Michael: Bei uns hat sich noch niemand aktiv abgemeldet. 

Wer könnten bis dahin die größten Hoffnungsträger*innen sein? 

Anne: Da möchte ich natürlich die Sportler*innen aus dem eben schon erwähnten Projekt „Perspektive Spitzensport” nennen: Messane Bräutigam, Hannah Kunz (beide Radsport), Paulina Pirro (Kanuslalom), Emma Kaul (Siebenkampf), Aurelia Eislöffel (Trampolin) und Katharina Nilges (Badminton). 

Thomas: Ich denke, wir können uns in den nächsten Jahren auf die weiteren Entwicklungen der Olympia-Newcomer wie Luca Spiegel (Bahnrad), Olivia Gürth (3.000 m Hindernis), Sophia Junk (Sprint), Majtie Kolberg (800 m) und Samuel Fitwi (Marathon) freuen. Die größten Hoffnungsträger*innen mit Medaillenpotenzial sind sicherlich Julian Weber, Ricarda Funk und Niklas Kaul. 

Michael: Die paralympischen Mannschaftssportarten Sitzvolleyball, Rollstuhlbasketball der Frauen und Rollstuhlrugby sollten wir aus rheinland-pfälzischer Sicht in L.A. auch nicht übersehen. Henric Hackmann, Alessa-Catriona Pröpster und Lara-Sophie Jäger sind noch drei weitere Radsportler*innen, die wir insbesondere nach der kürzlich stattgefundenen Bahnrad-WM auf dem Zettel haben sollten.

Allerdings haben wir noch keinen Überblick, wie unser finanzielles Budget genau aussehen wird, da das im Zusammenhang mit der finalen Aufstellung des Bundeshaushaltes steht.
Michael Fuchs, OSP-Leiter
  • OSP-Leiter Michael Fuchs.

    Kurz vor den Olympischen Spielen in Paris startete Michael Fuchs seine Tätigkeit als Leiter des Olympiastützpunktes Rheinland-Pfalz / Saarland. In den kommenden vier Jahren will er einiges auf den Weg bringen, um die heimischen Sportler*innen in L.A. erfolgreich zu machen.

    K. Ryan

Michael, wie sieht die Agenda des OSP mit Blick auf L.A. aus? 

Michael: In einigen Bereichen haben wir den Blick schon seit längerem in Richtung L.A. gerichtet: Beispielsweise laufen die Planungen für den Zyklus L.A. im Bereich wissenschaftliche Unterstützungsleistungen schon seit Frühjahr 2024. Allerdings haben wir noch keinen Überblick, wie unser finanzielles Budget genau aussehen wird, da das im Zusammenhang mit der finalen Aufstellung des Bundeshaushaltes steht. Davon hängt aber eine ganze Menge ab, was wir machen und unterstützen können, oder eben nicht. Grundsätzlich ist es unser Ziel, mehr Athlet*innen für L.A. qualifizieren zu können. Dafür tun wir alles, was in unseren Möglichkeiten liegt.  

Wie will der OSP sonst noch dazu beitragen, dass in L.A. mehr rheinland-pfälzische Sportler*innen dabei sind? 

Michael: Wir haben unsere drei Säulen, die wir alle intensivieren möchten. Den Athlet*innen soll hier maßgeschneiderte Unterstützung ermöglicht werden. In der ersten Säule „Duale Karriere” ist Laufbahnberaterin Nina Reermann die richtige Ansprechpartnerin. Wie stellt sich ein*e Athlet*in die eigene berufliche Zukunft vor? Und wie kann diese mit dem Leistungssport in der aktuellen Phase vereinbart werden? Das sind Fragen, die immer wieder neu beantwortet werden müssen. Die zweite Säule ist die medizinische Versorgung und Betreuung. Mit unseren Partnern wollen wir eine intensivere Betreuung ermöglichen. Und durch die dritte Säule „Leistungssteigerung” wollen wir Trainer*innen und Athlet*innendabei helfen, die letzten zwei, drei Prozent beispielsweise durch die Unterstützung unserer Sportwissenschaftler herauszukitzeln. Dafür haben wir neben einem Biomechaniker jetzt auch einen Leistungsphysiologen im Team des OSP Rheinland-Pfalz/Saarland. Dazu kommen einige Honorarmitarbeiter*innen, die unsere Athlet*innen in den Bereichen Ernährungsberatung und Psychologie im Rahmen von Workshops oder auch in individuellen Sitzungen beraten und betreuen.  

Thomas, du hast in den vergangenen drei, vier Jahren an vielen Schräubchen gedreht. Aber solche Prozesse dauern, nichts geht von heute auf morgen. In L.A. sollte die Zeit reif sein, um die Ernte der optimierten Talentförderung einzufahren, oder? 

Thomas: Grundsätzlich ist die angestoßene Entwicklung in unserem Bundesland  eine Teamleistung, denn an den Schräubchen haben einige „mitgedreht”. An dieser Stelle möchte ich mich deshalb vor allem bei meinen Kolleg*innen in der Abteilung Leistungssport bedanken, aber auch bei der Stiftung Sporthilfe RLP sowie dem Ministerium des Innern und für Sport, mit dem wir bereits seit dem Jahr 2019 einen intensiven Austausch in Form von quartalsweisen Jour Fixes zur Förderung des (Nachwuchs-)Leistungssport mit dem bzw. der zuständigen Staatsekretär*in haben. Ein solch enger Austausch im Thema existiert nicht in vielen Bundesländern. Und wir müssen auch in Zukunft weiter als Team für den Leistungssport in Rheinland-Pfalz arbeiten. Hinsichtlich der Frage in Bezug auf L.A. erwarten wir, dass erste Ergebnisse unserer Arbeit sichtbar werden. 

Abschließende Frage: Inwiefern ist eine deutlich größere Medaillenausbeute realistisch – oder wäre auch eine ähnliche Bilanz wie in Paris für euch völlig okay? 

Thomas: Ich bin kein Freund vom „Medaillen zählen”, auch wenn mir bewusst ist, dass wir auch daran gemessen werden. Aber wenn wir das oben formulierte Ziel – 1 18 bis 20 Olympiateilnehmer*innen nicht erreichen, wäre ich schon enttäuscht. 

Michael: Um bei den Olympischen Spielen eine Medaille zu gewinnen, muss alles top laufen. Wenn ich es mir wünschen könnte, würde ich die Medaillenbilanz von Tokio wählen. Am Ende geht es für uns darum, alles zu tun, die besten Voraussetzungen zu schaffen, das beste Umfeld zu schaffen. Final sind wir dann nur noch als „Fan” beteiligt, denn dann hat es nur noch der bzw. die Athlet*in in der Hand. Wenn wir am Ende eine Individual-Medaille zählen und die ein oder andere Team-Medaille feiern können, wäre das aus meiner Sicht eine tolle Ausbeute. 

Anne: Michaels Antwort trifft es auf den Punkt. Wir müssen es schaffen, die perspektivreichsten Sportler*innen über vier Jahre bestmöglich zu unterstützen, nur dann besteht eine Chance, das genannte Ziel zu erreichen. Jeder muss alles geben, nicht nur die Athlet*innen. 

Was ist der PA-L und was sind seine Aufgaben? 

Der Präsidialausschuss Leistungssport (PA-L) ist das satzungsgemäße Beratungsgremium LSB das im Auftrag des Präsidiums den Nachwuchsleistungs- und Spitzensport koordiniert. Zu seinen Aufgaben zählen u.a. die Sicherung der Rahmenbedingungen für eine kontinuierliche leistungssportliche Nachwuchsentwicklung in Rheinland-Pfalz und die Steuerung der Sportarten mit Bundesstützpunkt gemeinsam mit dem Olympiastützpunkt Rheinland-Pfalz/Saarland. 

Die aktuellen Mitglieder sind Prof. Mark Pfeiffer (LSB-Vizepräsident Leistungssport und Vorsitzender), Michael Fuchs (Olympiastützpunktleiter), Anne Zabel (Sporthilfe-Geschäftsführerin), Michael Desch (Ministerium des Innern und für Sport), Stefan Klören (IGS Mainz-Bretzenheim), Dr. Stefan Letzelter (Landestrainer Leichtathletik), Kai Kazmirek (aktiver Leichtathlet – Zehnkampf), Martin Weinitschke (Geschäftsführer Sportbund Rheinland), Michael Stäudt / Stefanie Kaul (Ministerium für Bildung), Thomas Kloth (LSB-Hauptgeschäftsführer und Abteilungsleiter Leistungssport)