Nathalie Ebertz in Jubelpose bei einem Spiel des Rollstuhlbasketball-Vereins Doneck Dolphins Trier
Foto: Doneck Dolphins Trier

Auf dem Weg nach Tokio: Nathalie Ebertz von den Doneck Dolphins Trier

"Es ist mein absolut größter Wunsch"

Erst seit einem guten halben Jahr wohnt Nathalie Ebertz im 2.500-Seelen-Örtchen Kenn im Kreis Trier-Saarburg. Der Wechsel nach Trier zu den Doneck Dolphins war ein sehr spontaner. Binnen einer Woche entschied die 1,85 Meter große Bayerin, dass sie noch einmal alles auf Basketball setzt und ihrer Heimat München an die Mosel umzieht. „Es war genau die richtige Entscheidung, diesen Sprung zu wagen – es läuft sportlich und auch privat perfekt“, freut sich Ebertz, die ihre Laufbahn bei den „Fußgängern“ in Schrobenhausen begann, für TSV Wasserburg und TSV Nördlingen in der Ersten Liga spielte und auf 32 Länderspiele in der U18 und U20 zurückblickt. Im SportInForm-Interview verrät die 29-Jährige, wie sie zum Rollstuhlbasketball kam – und nimmt auch zum Kuddelmuddel in Sachen Nominierung Stellung.

Frau Ebertz, Sie waren einst Jugend-Nationalspielerin bei den „Fußgängern“. Seit wann spielen Sie Rollstuhl-Basketball und wie sind Sie dazu gekommen?

Ich spiele erst seit zweieinhalb Jahren wirklich ernsthaft Rollstuhlbasketball. Davor habe ich mich zwar mal reingesetzt, aber nicht damit gerechnet, was auf diesen Anfängen einmal wird. Ich habe mir im Fußgänger-Basketball mein Sprunggelenk ganz schwer verletzt und nach der letzten OP – insgesamt waren es drei – meinte der Arzt, es sei besser, keinen laufenden Sport mehr zu machen. Deshalb habe ich mich entschieden, meine Behinderung anerkennen zu lassen und mein ganzes Herz dem Rollstuhlbasketball zu schenken. Erst war es für mich eine Überwindung, mich in einen Rollstuhl zu setzen – nun gehört er zu meinem Sport einfach dazu.

Bis zu den Paralympics in Tokio sind es nur noch fünf Monate. Aber ob Sie dabei sind, steht noch nicht fest, oder?

Genau. Wir haben an Ostern das alles entscheidende Nominierung-Camp. Aber meine Karten stehen sehr gut. Ich spiele seit einem Jahr Bundesliga und diese Erfahrung, die ich täglich im Kampf gegen die Männer mache, kann ich mit zu den Damen bringen und mir hierdurch einen kleinen Vorteil schaffen. Es werden zwölf Spielerinnen mitfahren, den Sprung in den Kader der letzten 14 habe ich bereits geschafft und das Ticket für Tokio hole ich mir auch noch ab (lächelt).

Man hört, dass es ein bisschen Kuddelmuddel im Zusammenhang mit der Nominierung der Spieler*innen gibt. Inwiefern können Sie das bestätigen?

Das stimmt leider. Unser Basketball Verband (IWBF) und der Paralymische Verband (IPC) sind sich leider nicht ganz einig, wo der Übergang von behindert und nicht-behindert ist. Doch ich bin mir sicher, es wird eine Einigung geben, mit der wir Athleten leben können, denn die Vorbereitungen auf dieses große Turnier laufen seit vier Jahren. Es wird auf jeden Fall Paralympics mit Rollstuhlbasketball auf höchsten Niveau geben.

  • Nathalie Ebertz vor dem Banner der Stiftung Sporthilfe des Landessportbundes Rheinland-Pfalz

    Will sich ihren Paralympics-Traum erfüllen: Nathalie Ebertz

    Foto: M. Heinze

Beim Rollstuhlbasketball spielen Männer und Frauen in einem Team. Finden Sie das eine gute Sache – und sind Sie die einzige Frau im Trierer Team?

Männer und Frauen und auch behinderte und nicht-behinderte Menschen spielen alle zusammen den geilsten Sport der Welt. Das ist so ein tolles Gefühl, denn alle haben ähnliche Voraussetzungen und müssen sich im Rollstuhl bewegen. Ich finde das klasse, denn die körperliche Athletik, die man in dem Spiel gegen Männer entwickelt, hilft mir später, mich besser gegen Frauen durchzusetzen. Als Frau bekomme ich aber für die körperlichen Nachteile Bonuspunkte auf meine Klassifizierung. So spiele ich mit drei Punkten, minimalbehinderte Männer hingegen mit 4,5 Punkten. Wir sind insgesamt drei Frauen im Team und sehr stolz drauf – denn wir sind der einzige Verein mit so vielen Frauen im Team.

Welche Position genau spielen Sie – und wie sehen Sie Ihre Rolle in der Mannschaft?

In der Bundesliga ist die Aufgabe ein wenig anders als in der Nationalmannschaft. Bei meinem Verein bin ich zwar die Größte im Team, aber ich versuche, meine Mitspieler in Szene zu setzen und immer für sie zu arbeiten. Wenn der Spielzug dann optimal klappt, bin ich am Ende auch die, die einen Wurf bekommt. Doch der Fokus liegt darauf, den Schützen von außen die Sekunde Zeit für den Wurf zu geben. In der Nationalmannschaft bin ich dann genau dieser Schütze. Ich liebe es, den Ball zu werfen und da ist mir auch kaum eine Distanz zu weit. Auch das Spiel unter dem Korb muss ich aufgrund meiner Größe öfter suchen – und auch hier eine Leidenschaft dafür entwickeln.

Was würde es Ihnen bedeuten, in Tokio dabei zu sein?

Einmal an einem so großen Turnier teilzunehmen, war von klein auf mein Wunsch. Als Fußgänger erreicht man das als Frau beim Basketball leider auf keinen Fall. Jetzt diese Chance zu bekommen, ist ein überragendes Gefühl. Diesem Traum habe ich privat und beruflich alles untergeordnet. Es ist einfach mein absolut größter Wunsch.

Sie sind bei den Doneck Dolphins auch Pressewartin. Welche Ideen haben Sie, um eine Randsportart wie die Ihre stärker in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken?

Ich veranstalte ganz viele Rollstuhlbasketball-Schulprojekte hier in der Region, um unsere tolle Sportart zu zeigen. Leider fehlt bundesweit das Aufsehen dafür. Doch durch unsere mediale Arbeit gelingt es uns immer mehr, die Leute zu erreichen. Ich hoffe, dass der Hype, den Paralympics auslösen, auch bis in die kleinsten Vereine gelangt und wir allen zeigen können, was für ein toller Sport Rollstuhlbasketball ist. Dennoch stehen wir hier sehr am Anfang, können immer nur kleine Fortschritte erzielen. Doch solche Interviews sind eine tolle Möglichkeit, uns zu zeigen.

 

Das Interview führte

Michael Heinze