
Rad-Star Pascal Ackermann hat sich auch für die nächsten Jahre viel vorgenommen
Es war die richtige Entscheidung, dieses Jahr noch auf die Tour zu verzichten.
Hallo Herr Ackermann, gerade Radrennfahrer zieht es in den Wintermonaten in wärmere Gefilde. Sie zum Beispiel haben auf Mallorca ihre Zelte aufgeschlagen. Aber bei der Landessportlerwahl vorbeizuschauen, das hat sie doch gereizt, oder?
Auf jeden Fall, sonst wäre ich ja nicht da gewesen. Ich habe den geplanten Rückflug in die Heimat extra einen Tag nach vorne verlegt, ein neues Ticket gebucht.
Gewonnen aber haben Sie nicht, wurden wie im Jahr zuvor Zweiter. Ein Problem für Sie?
Überhaupt nicht. Ich wurde eine Woche vorher angerufen, da sagte man mir, du hast nicht gewonnen, bist Zweiter, aber wir hätten gerne, dass du den Preis übergibst. Ich fand das eine tolle Idee.
Sie haben den Preis Niklas Kaul überreicht. Keine Schande, gegen ihn zu verlieren, oder?
Definitiv nicht. Weltmeister zu werden ist noch mal was anderes als Giro-Etappensieger.
Es ist aufgefallen, dass Sie völlig werbefrei vor die Kameras traten. Für einen Profi ist das ungewöhnlich. Haben Sie keine Werbepflicht?
Ich war als Privatmann da. Auf dem Rad sind wir zur Werbung verpflichtet – oder bei einem Teameinsatz. Aber wir haben auch keine Abendgarderobe mit Logo oder so. Es steht uns von unserem Team Bora-hansgrohe offen, was wir tragen und ob wir werben.
Sie haben es mit ihrer Familie und ihren Freunden am längsten im Funkhaus des Südwestrundfunks ausgehalten. Ihr hattet offenbar Spaß?!
Ja, Radsportler sind generell gesellige Typen in einer netten Runde. Mit Frank Ziegler und Hermann Mühlfriedel waren zwei meiner alten Trainer da, ich kenne sie aus meiner Zeit am Heinrich-Heine-Gymnasium in Kaiserslautern. Zu ihnen habe ich immer noch ein sehr gutes Verhältnis. Wir haben uns früher schon viel und gut zusammengearbeitet. Und ewig nicht mehr gesehen. Frank schrieb mir, bist du auch da? Da wusste ich vorher schon, dass es ein längerer Abend wird. Es gab genug Geschichten zu erzählen.
An der Eliteschule des Sports, am HHG, konnten Sie Schule und Sport ziemlich gut vereinen, erzielten ihre ersten großen internationalen Erfolge.
Ja, das war eine tolle Sache. Ich kam 2010 auf die Schule und war zweieinhalb Jahre da, ging nach der zwölften Klasse. 2011 feierte ich mit Ben König und Max Niederlag in Moskau den Weltmeistertitel der Junioren im Teamsprint. Damals hatte ich noch mit dem Bahnradsport geliebäugelt.
Nach dem Fachabitur haben Sie Erfahrungen im Bundesfreiwilligendienst gemacht. Wie wichtig war diese Erfahrung?
Man braucht für das Fachabitur ein Praktikum und eine Ausbildung. Der Bundesfreiwilligendienst hat mir es ermöglicht, mich meinem Sport unter professionellen Bedingungen widmen zu können. Das war rückblickend auf die Zeit nach dem Fachabitur am HHG sehr wichtig. Einfach gesprochen. Ich konnte mein Training ohne Einschränkungen weiter durchziehen. Es hat sehr viel Freude bereitet, mit Kindern und Jugendlichen zusammenzuarbeiten, mit ihnen meine große Leidenschaft für den Radsport zu teilen. Ich kann heute sagen, dass mich der Bundesfreiwilligendienst in meiner persönlichen und sportlichen Entwicklung ein großes Stück vorangebracht hat.
Sie gelten als sehr heimatverbunden. Was bedeutet es für Sie, nach Hause in die Pfalz zu kommen?
Jeder braucht einen Anlaufpunkt mit Rückhalt. Den habe ich definitiv in der Pfalz, in der Landschaft, in der ich aufgewachsen bin, und bei meiner Familie. Es ist eine traumhafte Gegend und, außer im Winter, eine recht interessante Region zum Trainieren. Es ist nicht überall so, dass die Leute so nett sind. Ehrlich. Es ist immer super, daheim Energie zu tanken.
Trotzdem sind Sie von Landau jetzt nach Bregenz gezogen. Warum?
Das gibt es höhere Berge. Das Quartier ist noch besser. Idealer für meine Ansprüche und Bedürfnisse auf dem Rad. Ich bin da mit zwei Teamkollegen hingezogen. Bregenz liegt auch recht zentral.
Sie waren 2018 schon sehr stark. Holten neun Saisonsiege, 2019 kam dann der echte Durchbruch. Als bester Sprinter belegen Sie den siebten Platz in der Weltrangliste. 13 Saisonsiege sprechen für sich. Wie sehr kann man einen solchen Weg planen?
Die Erfolge in 2018 kamen komplett überraschend. Keiner hätte gedacht, dass es so läuft. Über Winter hatte ich dann absolut Rückhalt im Team bekommen. Sie sagten, wir setzen auf dich, du sollst zeigen, was du wirklich drauf hast. Und es gab zu 2019 eine andere Vorbereitung. Das Vertrauen in mich war groß. Ich durfte den Giro anstelle von Sam Bennett fahren. Dass es dann so drei große Wochen wurden, hätte ich vorher nicht gedacht. Ich hatte auf einen Sieg gehofft, auf einen zweiten geschielt, aber mit dem Sprinttrikot, dem Maglia Ciclamino, nicht gerechnet. Schon der Sieg am 1. Mai in Frankfurt war was Großes. Alle sagten, es sei nicht mein Rennen …
Viele haben vergessen, dass sie beim Giro ein Malheur hatten, das unter die Haut ging. Sie stürzten schwer und bissen sich durch. Ist denn alles verheilt?
Die Wunden sind verheilt, man sieht Narben, die werden bleiben, ich werde gezeichnet bleiben. Aber der Sturz hat mich stärker gemacht. Jeder konnte sich von meinem Willen überzeugen. Und was da die Teamarbeit, die Motivation ausmachte, das war unglaublich. Aber ehrlich, ich hätte diesen Sturz bei dieser Rundfahrt nicht gebraucht, das gebe ich zu.
Sie haben dieses Sprinttrikot also mit viel Schweiß, vielleicht auch mit viel Tränen gewonnen. Erhöht sich der Druck, 2020 den Erfolg wiederholen zu müssen?
Wenn ich mache, was andere sagen oder erwarten, sollte ich kein Rad mehr fahren. Das muss ich ausblenden. Ich achte darauf, was ich selbst will und kann. Ich mache mir keinen Druck. Aber ich setze mir Ziele, die ich erreichen will. Und die nehmen halt von Jahr zu Jahr zu.
Sie sind ein Star im Peloton geworden, keine Frage. Dennoch schotten Sie sich selten ab, geben Autogramme, lachen für ein Selfie. Mehr Lust oder mehr Last?
Grundsätzlich mache ich das bei Rennen gerne, wenn es geht, weil ich weiß, wie ich als kleiner Junge auf Autogramme aus war. Ich denke, ich werde immer nahbar sein. Wenn ich daheim bin, bin ich froh, wenn ich mal einen Tag nichts habe und nicht aus der Haustür gehe. Da will ich meine Ruhe. Nach zwei, drei Wochen Rennen oder Trainingslager nehme ich meine Auszeit.
Wie gehen Sie mit Social Media um, wie mit ihrem Handy?
Man muss diese neuen Medien in gewisser Weise schon nutzen. Aber es kann sein, dass bei mir eine Nachricht zwei Wochen unbeantwortet bleibt. Man kann nicht jedem gleich zurückschreiben. Ich kann auch nicht 24 Stunden am Handy sein. Mein Job ist der Radsport.
Guter Übergang: Der Winter war lang, die Zeit bis zu den Rennen. Sind Sie erwartungsfroh, dass die Tage länger werden und die großen Rennen kommen?
Klar. Wir sind Rennfahrer, um Rennen zu fahren. Ich bin froh, wenn es wieder los geht, aber auch, dass die Rennen am Anfang noch nicht so wichtig für mich sind. Jetzt geht es noch um bissel Spaß, ich muss noch nicht in Topform sein. Bei mir geht es mit Mailand – Sanremo im März, in Frankfurt am 1. Mai und beim Giro richtig los.
Die Tour de France steht nicht in ihrem Kalender, dafür aber die Spanien-Rundfahrt. Werden Sie die Tour vermissen?
Es ist die richtige Entscheidung, in diesem Jahr noch auf die Tour zu verzichten. Es ist eine sehr schwierige Strecke mit wenigen Möglichkeiten für mich als Sprinter. Aber ich habe die Zusage von meinem Teamchef, 2021 die Tour fahren zu können.
Sie haben noch bis 2021 einen Vertrag bei Bora-hansgrohe. Es war ihr erstes Profiteam und sie sagten immer wieder, besser hätte es nicht sein können. Warum denn?
Ich hätte mich in keinem anderen Team so entwickeln können. Das Klima ist nirgendwo sonst so. Nirgendwo so spaßig und so locker, denke ich. Klar haben auch wir mal Druck und müssen mal gewinnen, was uns ja auch sehr gut gelang. Das Team steht hinter mir. Die Teamkollegen geben mir zu verstehen, wenn ich mal nicht gewonnen habe, ist okay so, morgen oder nächste Woche geht’s weiter. Ich habe nie allein verloren. Und nie allein gewonnen.
Das Gespräch führte Klaus-Dieter Kullmann