„Das Thema enttabuisieren“
Schulungsmaßnahme zur Prävention sexualisierter Gewalt in Mainz stößt auf große Resonanz
04.09.2021 – Michael Heinze
Sensibilisierung, Prävention und Intervention sexualisierter Gewalt – darum drehte es sich bei der Zusammenkunft in der Turnhalle des Mombacher TV, bei der fast 60 Ehrenamtler*innen aus allen Ecken von RLP dabei sein wollten, die in ihren Vereinen das heikle Thema voranbringen. „Ich will euch sensibilisieren und helfen, das Thema zu enttabuisieren, euch neue Brillen aufsetzen“, betonte Axmann, die über Formen sexualisierter Gewalt und Besonderheiten im Sport ebenso referierte wie über Möglichkeiten der Prävention.
Definiert ist sexualisierte Gewalt als Machtausübung, Unterwerfung und Demütigung mit dem Mittel der Sexualität. Dies ist auch ohne Körperkontakt möglich. Etwa durch sexualisierte Witze, sexuell anzügliche Bemerkungen oder einschlägige Bildnachrichten. Unter die Kategorie der sexuellen Grenzverletzungen fallen unangemessene Berührungen/Massagen, sich vor anderen ausziehen oder exhibitionieren oder betroffene Personen auffordern, mit ihr allein zu sein. Sexualisierte Gewalt mit Körperkontakt sind Küsse, Berührungen oder (versuchter) Sex gegen den Willen der Betroffenen.
Als die Fachberaterin für Breitensportentwicklung wissen wollte, ob denn jemand aus dem Plenum schon einmal in einem Vorfall verwickelt war, schnellte ein halbes Dutzend Hände nach oben. „Kinder können nicht darüber sprechen“, sagte Axmann. „Die meisten Betroffenen melden sich erst 30, 40 Jahre danach.“ Fatal sei, dass Opfer von sexuellen Übergriffen im Sportverein gleich doppelt traumatisiert sind. Einmal durch das, was sie erlebt hätten – die sexualisierte Gewalt. Und dann würden sie nicht selten noch im eigenen Verein isoliert – wenn ihnen nicht geglaubt und wenn vom Vorstand nicht gehandelt werde. Auf einen angezeigten Fall kämen 15 bis 30 nicht angezeigte Fälle.
Betroffene Jungen und Mädchen veränderten ihr Verhalten, würden zum Beispiel plötzlich aggressiver. Oder sie mutierte von einem lachenden, lebedigen, sportbegeisterten Kind zu einem betonfüßigen, geistesabwesenden, irgendwie funktionierenden Automaten. „Und der Beton“, so eine Teilnehmerin des VOICE-Projekts, „ist halt sehr fest.“ Sportvereine sind für Täter*innen nach wie vor hochinteressant. Dort haben sie eine große Anzahl von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zur Auswahl, zu denen sie einen regelmäßigen Kontakt herstellen und mit der Zeit vertrauensvolle Beziehungen und Bindungen aufbauen können. Täter*innen können herausfinden, wer bedürftig ist, wer etwas brauche und wem sie etwas anbieten können – um sich dann selbst etwas holen zu können. Wie Axmann den Übungsleiter*innen, Trainer*innen und Funktionär*innen vor Augen führte, gibt es „immer Täter in eurem Umfeld“. Wobei man nicht sagen könne, wie ein solcher Täter aussehe. Täter könnten aus sämtlichen gesellschaftlichen Schichten stammen. Klar ist: In dem Moment, wo Eltern ihre Kinder an der Türschwelle der Sporthalle abgeben, ist der Verein verantwortlich, dass dem Kind nichts passiert.
Was die Vereinsvertreter*innen tun können? „Ihr könnt Vertrauensperson werden oder Ansprechpartner*in – oder ihr kriegt als Zeugen Sachen mit“, erläuterte die Präventionsexpertin. Wer Hilfe benötige, könne sich an N.I.N.A., das kostenlose und anonyme Hilfstelefon zum sexuellen Missbrauch wenden unter 0800-2255530. E-Mail: Beratung@hilfetelefon-missbrauch.de. Beratungsangebote in der Nähe finden sich unter www.beauftragter-missbrauch.de/hilfe/hilfetelefon. Aber auch der LSB und die regionalen Sportjugenden verfügen über adäquate Ansprechpartner*innen, die Kontaktdaten gibt´s auf den jeweiligen Homepages.
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Abteilungsleiter Gesellschaftspolitik - Ansprechperson Prävention sexualisierter Gewalt
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