Prävention gegen Gewalt im Sport

Wir wollen unseren Verein / Verband präventiv gegen Gewalt aufstellen – wie & wo fangen wir an? 

Zunächst ein wenig Grundlagenwissen (oder direkt weiter zum Thema Schutzkonzept für unseren Verband oder Verein):

Sport zählt zu den beliebtesten Freizeitaktivitäten von Kindern und Jugendlichen. Das spiegelt sich auch in den mehr als 5.800 rheinland-pfälzischen Sportvereinen wider. Woche für Woche werden hunderte Heranwachsende mit großem Engagement betreut.
 

Sport ist wichtig für Kinder und Jugendliche. Neben Spiel, Spaß und Bewegung fördert er vor allem die Persönlichkeitsentwicklung und trainiert soziales Miteinander junger Menschen. Die im Sport entstehende Nähe und das enge Vertrauensverhältnis zwischen Kindern und Trainern*innen, bergen leider auch Gefahren von Gewaltübergriffen. Übernachtungen bei Wettkämpfen, gemeinsames Duschen oder Hilfestellungen im Training sind nur einige Beispiele, bei denen es zu Grenzüberschreitungen bis hin zu sexuellen Gewaltübergriffen kommen kann.

 

Gewalt im Sport kann in unterschiedlichen Formen auftreten - keine Form der Gewalt ist ok und sollte toleriert werden! Die verlinkten Videos verdeutlichen und visualisieren die nachfolgende theoretische Auflistung.

Häufigkeiten und Formen von Gewalt im Sport

Gewaltformen

Psychische Gewalt

Psychische Gewalt umfasst alle Verhaltensweisen, die aufgrund von Art, Umfang, Dauer und Intensität als herabwürdigend einzustufen sind und das Potenzial haben, psychische Verletzungen bei den Betroffenen herbeizuführen[1].

Psychische Gewalt kann unterschiedliche Ausprägungen haben [2]:

1. Verbaler Missbrauch, Verschmähung und Abwertung der Kinder/Jugendlichen.

2. Die Förderung und der Zwang zu destruktivem oder ungesundem Verhalten, bspw. das Fortsetzen des Trainings mit Verletzungen oder die Aufforderung, andere Athlet*innen bewusst zu verletzen.

3. Die Androhung von Gewalt gegenüber den Kindern/Jugendlichen oder Angehörigen bei sportlichem Misserfolg.

4. Die emotionale oder körperliche Isolation der Kinder/Jugendlichen von Freunden und Freundinnen oder Angehörigen.

5. Die Verkörperung emotionaler Unerreichbarkeit oder mangelnder Unterstützung durch die Betreuer*innen gegenüber den Kindern/Jugendlichen.

 

Beispiele aus der Sportpraxis und Antworten auf rechtliche Fragen finden Sie in der Orientierungshilfe Safe Sport
 


Inhalte entnommen aus »Safe Sport« Orientierungshilfe für rechtliche Fragen zum Schutz bei Gewalt, S. 14 © Deutsche Sportjugend im DOSB e. V., Frankfurt am Main, Juni 2024 Link zum Nachlesen

[1] Vgl. Rettenmaier/Wilhelm, Psychische Gewalt im (Leistungs-)Sport – eine Begriffsbestimmung, SpuRt 5/2022, 30

[2] Vgl. American Professional Society on the Abuse on Children, abrufbar unter: https://apsac.org/apsac-announces-revisions-to-its-definitions-of-psych…). Diese hier dargestellten fünf Kategorien der psychischen Gewalt können gleichermaßen gegenüber Erwachsenenrelevant werden. Denn gerade im Leistungssport gibt es viele Sportler*innen der Altersklassen Ü18, die in einem ungleichen Machtverhältnis stehen und von dieser Gewaltform betroffen sind. Im Einzelfall können solche Sachverhalte die Straftatbestände der Körperverletzung (§§ 223 StGB) sowie der Nötigung (§§ 240 StGB) durch psychische Zwangswirkungen erfüllen (Rettenmaier/Wilhelm, Psychische Gewalt im (Leistungs-)Sport – eine Begriffsbestimmung, SpuRt 5/2022, 300 m. w. N.).)

 

Physische Gewalt

Physische Gewalt umfasst alle körperlichen Angriffe auf den Körper oder die Gesundheit eines Menschen. 

Dazu zählen unter anderem[1]:

  • Schläge oder Tritte mit dem Körper oder Gegenständen,
  • das Zufügen von Verbrennungen oder Vergiftungen,
  • das Zufügen von Verletzungen mit einer Waffe


Beispiele aus der Sportpraxis und Antworten auf rechtliche Fragen finden Sie in der Orientierungshilfe Safe Sport
  


[1] Inhalte entnommen aus »Safe Sport« Orientierungshilfe für rechtliche Fragen zum Schutz bei Gewalt, S. 20 © Deutsche Sportjugend im DOSB e. V., Frankfurt am Main, Juni 2024 Link zum Nachlesen

Sexualisierte Gewalt

Der Begriff der „sexualisierten Gewalt“ fungiert als Sammelbegriff für die verschiedensten Formen des Machtmissbrauchs, die mit dem Mittel der Sexualität ausgeübt werden.

Um die Frage, welche Handlungen als sexualisierte Gewalt zu verstehen sind, zu beantworten, muss zwischen Handlungen ohne Körperkontakt („Hands-off“) und Handlungen mit Körperkontakt („Hands on“) unterschieden werden[1].

Handlungen ohne Körperkontakt umfassen unter anderem[2]:

  • sexuelle Belästigungen verbaler oder gestischer Natur,
  • Exhibitionismus,
  • Anfertigung von Bild-/Videoaufnahmen,
  • Versendung von Nachrichten mit sexuellem Inhalt,
  • Veranlassung, Betroffene dazu zu bringen, sich an intimen Stellen zu berühren oder zu „posieren“ (z. B. Spreizen der Beine unter Entblößen des Geschlechtsteils).

    Handlungen mit Körperkontakt schließen unter anderem ein:

  • sexuell motivierte Berührungen, z. B. an Brüsten, Gesäß oder in der Leistengegend, ungewollte Küsse
  • Vergewaltigungen


Beispiele aus der Sportpraxis und Antworten auf rechtliche Fragen finden Sie in der Orientierungshilfe Safe Sport


 


[1] [2] Inhalte entnommen aus »Safe Sport« Orientierungshilfe für rechtliche Fragen zum Schutz bei Gewalt, S. 24 © Deutsche Sportjugend im DOSB e. V., Frankfurt am Main, Juni 2024 Link zum Nachlesen

 

Täter*innenstrategien

Um eine Kultur des Hinsehens im eigenen Verband oder Verein leben zu können, ist es wichtig sich mit Täter*innenstrategien vertraut zu machen:

Täter*innen gehen mit gezielten Strategien vor, indem sie …

  • zu ihren Opfern über einen längeren Zeitraum ein besonderes Verhältnis aufbauen.
  • ihren potenziellen Opfern besondere Aufmerksamkeit und Zuwendung schenken.
  • sich bewusst sind, dass man ihnen eine solche Tat niemals zutrauen würde.
  • ihre Übergriffe gezielt planen und vorbereiten. Meistens wird eine Situation geschaffen, in der sie mit dem Opfer alleine und ungestört sind.
  • bewusst versuchen, auch zum sozialen Umfeld (Eltern, Geschwister etc.) ein vertrauliches Verhältnis aufzubauen.
  • darauf achten, dass ihre Opfer über die Erlebnisse schweigen und sie sich niemandem anvertrauen.

Grooming Vorgehen von Täter*innen bei sexualisierter Gewalt

noch mehr Infos zu Täter*innnenstrategien

Gewalt wird überwiegend von Männern und seltener von Frauen ausgeübt. Dabei gibt es keine äußeren Erscheinungsmerkmale, die darauf schließen lassen, dass es sich um potenzielle Täter*innen handelt. Dafür wenden Täter*innen in den meisten Fällen die gleichen Strategien an.

In der Regel suchen sie gezielt kindgerechte Orte, wo sie auf leichte und unkomplizierte Weise Kontakt zu Kindern und Jugendlichen aufbauen können. Hierzu bieten auch Sportvereine gute Möglichkeiten – Kinder und Jugendliche verbringen dort einen Großteil ihrer Freizeit.

(Sexualisierte) Übergriffe geschehen äußerst selten spontan, sondern sind in den meisten Fällen geplant und vorbereitet.

Nachdem Täter*innen zu einem Kind oder Jugendlichen Kontakt aufgenommen haben, vertiefen sie in den meisten Fällen nach und nach die Beziehung auf eine kindgerechte Art und Weise. Dabei lassen sie sich viel Zeit, denn oberstes Ziel ist es, zum Opfer eine emotionale Beziehung und ein besonderes Vertrauensverhältnis aufzubauen.

Täter*innen „studieren“ ihre Opfer, ihre Vorlieben und Abneigungen, lernen ihre Nöte und heimlichen Wünsche kennen. Gleichzeitig üben sie immer wieder schwer erkennbare Testhandlungen aus (zufälliges Berühren der Geschlechtsorgane, plötzliches Betreten der Duschräume, zeigen pornographischer Abbildungen, etc.). Dabei achten die Täter*innen genau darauf, wie ihre potenziellen Opfer auf die Testhandlungen reagieren. Empören sich Kinder und Jugendliche, lassen Täter*innen meist von ihnen ab. Reagiert ein Mädchen oder Junge eher schüchtern, ist dies ein deutliches Signal für Täter*innen, die Beziehung zum Opfer weiter zu intensivieren. So steigern sie zunehmend ihre emotionale Zuwendung und Nähe, machen Geschenke, geben ihnen das Gefühl wichtig und etwas ganz Besonderes zu sein. Kinder genießen in der Regel diese spezielle Zuwendung. Und genau dies setzen Täter*innen ein, um die Beziehung weiter zu vertiefen. Täter*innen sind Meister*in darin, eine für das Kind wichtige Bindung herzustellen und ihre Testhandlungen bis hin zur Aufforderung zu sexuellen Handlungen zu steigern.

Es ist wichtig im Verein eine Kultur des Hinsehens zu leben, für die alle Akteur*innen im Verein sensibilisiert sind. So bietet man Täter*innen eine kleinst mögliche Angriffsfläche. Hilfestellungen, wie eine Kultur des Hinsehens etabliert werden kann, findet ihr hier. Arbeitshilfen zur Erstellung eines Schutzkonzeptes und einer Risikoanalyse sind hier zu finden

Unterstützung vom Landessportbund

Portrait von Oliver Kalb
Oliver Kalb

Ansprechperson Prävention Gewalt im Sport - Abteilungsleiter Gesellschaftspolitik

Portrait Nicola Ziegler
Nicola Ziegler

Ansprechperson für (Verdachts-)Fälle im Verband / Verein