E-Cycling Weltmeisterschaft Zwift
Foto: Zwift

Mainzer Ruderer krönt sich zum ersten E-Cycling-Weltmeister

Jason Osborne düpiert sogar die Profis

Wenn Jason Osborne etwas in die Hand nimmt, dann hat er auch den Ehrgeiz, das Optimum herauszuholen. Beim 26-jährigen Mainzer ist das aber keine Floskel, sondern absoluter, durch Trainingseifer untermauerter Ernst. So wurde er zum Ruder-Weltmeister – und so geht er auch den Radsport an, den er nach Olympia 2021 professionell ausüben möchte. Jüngstes Beispiel: Die Weltmeisterschaft im E-Cycling.

Jason Osborne wurde angefragt, sagte zu, bereitete sich vor und ließ als Noch-Amateur sogar zahlreiche Profis des Radsports hinter sich. Nun ist er der erste Zwift-Weltmeister überhaupt, sackte neben 8.000 Euro Siegprämie und dem Regenbogen-Trikot auch eine ganze Menge Bekanntheit innerhalb der Radsport-Szene ein. Überraschend war sein Erfolg für viele, aber eben nicht für ihn. „Wenn ich mir keine Chancen ausgerechnet hätte, hätte ich den ganzen Aufwand doch gar nicht erst auf mich genommen“, sagte er nach seinem Sieg im virtuellen Radrennen.

So emotional wie im Nachgang dieses Rennens erlebte man den Ruder-Weltmeister von 2019 nur selten. „Ich muss da jetzt erstmal drauf klarkommen und alles sacken lassen", sagte Osborne. „Das ich am Ende fast zwei Sekunden Vorsprung hatte, hat mich am meisten überrascht", gestand er. Im Rennen düpierte er die Konkurrenz mit einem Antritt 500 Meter vor dem Ziel, das er mit 1,74 Sekunden auf die beiden Dänen Anders Foldager und Nicklas Pedersen durchfuhr. In der Realität waren die Gegner freilich viel weiter entfernt, denn bei der Weltmeisterschaft im E-Cyling legte jeder Teilnehmer die Distanz auf dem Smarttrainer für sich alleine zurück. Über die Online-Plattform Zwift wurde ein Rennen daraus. „Das war eine komplett neue Erfahrung für mich. Ich hatte zwar zuvor ein paar Zwift-Rennen gemacht, aber noch kein derart großes Event", sagte Osborne, der aber auch klarstellte: „Diese Form vom Radfahren ist nicht mit der auf der Straße zu vergleichen." Für ihn seien solche Rennen dennoch wichtig, weil er so Rennerfahrung sammeln könne, die ihm noch fehlt.

Zu diesen Erfahrungen zählte eben auch das ungeplante, aber erfolgreiche Zusammenspiel mit seinem deutschen Teampartner Jonas Rapp. Eigentlich gab es im Vorfeld keinerlei Absprachen, wer da für wen Tempo machen sollte. Es ergab sich aber, dass Rapp und Osborne bis zum Ende in der Spitzengruppe fuhren. Als sich die Möglichkeit ergab, erhielt Osborne über Funk die Info, jetzt aus dem Windschatten Rapps durchstarten zu können. Gesagt, getan – Osborne war nicht mehr aufzuhalten.

  • Rennrad fahren vor Leinwand. Jason Osborne ist Weltmeister im E-Cycling.

Entsprechend groß war und ist die Freude im Lager des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR), der sich nun auf einen kommenden, möglichen Spitzenfahrer freut. „Jason Osborne hat einfach einen wahnsinnigen Motor", lobt BDR-Teamchef Tim Böhme. Auch bei ihm war die Überraschung über den Debüt-Sieg groß. „Geplant war das so nicht. Aber wir haben die Erfahrung aus dem Damenrennen genutzt", so Böhme. Hinzu kam das nötige Quäntchen Glück und eben die richtigen Ansagen per Funk. Und vielleicht war Osborne für seine Gegner eben auch eine unbekannte Größe. „Vielleicht war ich bei einigen Kontrahenten ein wenig unter dem Radar und sie haben mich nicht für voll genommen." Ein Fehler, der Osbornes Radsport-Konkurrenz in Zukunft wohl nicht mehr passieren dürfte. Der frühere Ruder-Weltmeister, der im kommenden Jahr noch im leichten Doppelzweier bei Olympia Edelmetall gewinnen möchte, wird sich spätestens kommenden Herbst voll auf den Radsport konzentrieren.

Die wichtigsten Learnings für Osborne. Ein starkes Team ist wichtig. „Die haben einen Top-Job gemacht“, lobte der Weltmeister die BDR-Guides, die mit ihm über Funk verbunden waren. Außerdem weiß er, dass er seine Fähigkeiten vom Rudern durchaus auf den Radsport übertragen kann. Seinen „wahnsinnigen Motor“, wie Böhme es nannte und eben seine Fähigkeiten, sich selbst zu quälen. Osborne hat seinen inneren Schweinehund bereits regelmäßig im Leichtgewichts-Rudern besiegt, kann über das Limit hinausgehen, alles aus sich herausholen. Fähigkeiten, die ihm womöglich als Profi-Radsportlern auf den großen Rundfahrten noch viel helfen werden. Bis dahin ist es aber noch weit.

„Das ist natürlich auch eine geile Sache. Meine Social-Media-Kanäle sind förmlich explodiert", sagte der frischgebackene Weltmeister, der nun aber zunächst wieder Ruderer ist. Im Trainingslager in Portugal, von wo aus er auch die Zwift-WM gefahren ist, bereitet er sich auf Olympia vor. Dort will er gemeinsam mit Partner Jonathan Rommelmann eine Medaille im Leichtgewichts-Doppelzweier holen. Es wäre die Krönung einer erfolgreichen Karriere, nochmals eine kleine Steigerung zu seinen WM- und EM-Titeln. Erst dann soll der Fokus völlig auf dem Radsport liegen. Einen Vorgeschmack hat nun jedenfalls abgeliefert.

Text: Tommy Rhein