LSB-Trainertagung in Mainz gibt neue Impulse für Arbeit mit Athlet*innen im Nachwuchsleistungssport
27.09.2023 – Marlene Wienold
„Athlet*innen sind auf eine gute Betreuung angewiesen – qualifizierte Trainer*innen sind daher besonders wichtig“, eröffnete Prof. Dr. Mark Pfeiffer, LSB-Vizepräsident Leistungssport und gleichzeitig Professor am Institut für Sportwissenschaft, die Tagung, die der Vernetzung und dem interdisziplinären Austausch der Trainer*innen im Nachwuchsleistungssport diente. Pfeiffer hob hervor, dass durch die Unterstützung des Ministeriums des Innern und für Sport seit 2021 die Anzahl der Landestrainer*innen-Stellen auf knapp 50 verdoppelt werden konnte. „Der Fokus in den letzten Jahren ist sehr stark auf den Leistungssport ausgerichtet. Weil wir hier besser werden wollen“, betonte Staatssekretärin Simone Schneider. Sie zeigte sich beeindruckt von der Bandbreite der vertretenen Sportarten – neben der Leichtathletik waren auch neuere Sportarten wie Sportklettern zugegen – und hoffte, „dass die Trainertagung in Zukunft wieder regelmäßig stattfinden kann.“
Thomas Kloth, Abteilungsleiter Leistungssport im LSB, präsentierte anschaulich das Potpourri an Fördermöglichkeiten für Nachwuchsleistungstrainer*innen. „Die Leistungssportförderung in Rheinland-Pfalz ist nicht jedem Trainer und jeder Athletin bekannt“, so Kloth. Es lohne sich immer, auf der LSB-Website nach einem passenden Fördertopf zu schauen: Trainer*innen-Subventionen, Reisekostenbezuschussung, Athlet*innen- und Projektförderung oder Kostenerstattungen für Sportmedizinische Untersuchungen sind dort zu finden.
„Wir wollen Partner, Förderer und Begleiter der Athlet*innen sein“, so Anne Zabel über den Auftrag der Stiftung Sporthilfe Rheinland-Pfalz. Das Spitzensportförderprojekt („Team RLP“) stellt das größte und wichtigste Förderprojekt dar, das Athlet*innen ab Bundeskaderstatus und mit Startrecht in Rheinland-Pfalz in Anspruch nehmen können. Diese rein finanzielle Förderung kommt vorrangig olympischen, paralympischen und deaflympischen Sportarten zugute. Aber auch im Nachwuchsleistungssport könnten über die Internatskostenbezuschussung bereits Fördermittel ab dem Nachwuchskader 2 ausgeschüttet werden, wenn die Einzel- und Mannschaftsstartberechtigung für einen rheinland-pfälzischen Verein vorliege. „Wir wollen langfristige Perspektiven für die Athlet*innen aufzeigen, die ihr ausbildet“, so Zabel an die Trainer*innen gerichtet.
Nicht-monetäre Fördermöglichkeiten für Bundeskaderathlet*innen ab dem NK1 zeigte Nina Reermann vom Olympiastützpunkt Rheinland-Pfalz/Saarland auf. Sie informierte über die Servicebereiche Trainingswissenschaften/Athletiktraining, Physiotherapie, Sportmedizin, Sportpsychologie, Ernährungsberatung und Laufbahnberatung. Alle Dienstleistungen würden kostenlos und gestaffelt nach Höhe der Kaderzugehörigkeit zur Verfügung gestellt. „Keine Nachteile für Athlet*innen nach ihrer Karriere im Spitzensport“ sei vorrangiges Ziel in der Laufbahnberatung. Dies werde durch zahlreiche Kooperationspartner im Bereich Schule/Universität, aber auch bei der Landes- und Bundespolizei sowie der Bundeswehr ermöglicht: „Wir sehen uns als Wegbegleiter für die Athlet*innen, gerade für die berufliche Zukunft.“
Eine mögliche berufliche Option für Spitzensportler*innen, die sich eine Karriere bei der Polizei vorstellen können, zeigte Jochen Borchert (Ministerium des Innern und für Sport) auf: Seit 2008 können sich Spitzensportler*innen mit Startberechtigung für einen rheinland-pfälzischen Verein in einem gestreckten Studium zum/zur Polizeikommissar*in ausbilden lassen und werden nach dem Studium für den Leistungssport freigestellt. Nicht nur Miriam Welte habe von dieser beruflichen Laufbahn, die eine wirkliche Absicherung für die Athlet*innen darstelle, profitiert, wie Borchert betonte: „Wir haben es immer wieder geschafft, Spitzenathlet*innen für den Polizeiberuf zu begeistern.“
Getreu dem Motto „Fördern und Fordern“ konnte die LSB-Abteilung Leistungssport zwei Referenten gewinnen, die mit wissenschaftlich fundierten Impulsvorträgen neue Anregungen für die Trainingsgestaltung gaben. Den Anfang machte Dr. Christoph Mickel („Athlyzer GmbH“), der die Videoanalyse als unverzichtbare Trainingsmethode im Leistungssport herausstellte. „Es ist ein tolles Tool, das auch im Nachwuchsbereich schon genutzt werden kann, weil es sehr einfach ist“, warb Mickel. Durch die Mischung aus einer qualifizierten Spielanalyse per Video, kombiniert mit der Beurteilung einzelner Spielsequenzen ließen sich mit Hilfe der Software schnell aussagekräftige Analysen generieren. Auch wenn von den dargestellten Benefits in erster Linie Mannschaftssportarten wie Hockey, Basketball oder Fußball profitieren mögen – also da, wo technisch-taktisches Verhalten und Spielanalyse eine exponierte Rolle spielen – wurde deutlich, dass sich die Videoanalyse einfach in den Trainingsalltag integrieren lässt. „Zur Aufnahme reicht schon das eigene Smartphone oder Tablet aus“, ergänzte Mickel.
Weg vom Video und hinein in die bunte Welt der Gehirnströme führte Dr. Kurt Banse: „Viele Dinge lassen sich im Kopf erklären, die zu Leistung und Nichtleistung führen.“ Im Zentrum seines ganzheitlichen Ansatzes steht das Gehirn als Dreh- und Angelpunkt aller physischen und psychischen Prozesse. Ziel sei die Steigerung von mentaler und körperlicher Leistungsfähigkeit, wobei spielerische Interventionsmaßnahmen zum Einsatz kommen. Vorher müsse aber der Status quo des/der Athlet*in durch eine objektive Diagnostik ermittelt werden. Die Athlet*innen würden angeleitet, die wesentlichen Einflussfaktoren auf ihre Psyche positiv zu beeinflussen. Also Ernährung, Schlaf, Kognition und Biochemie. Letztere spielt für Banse eine zentrale Rolle: „Wir brauchen die Biochemie. Wir sollten uns auf das besinnen, wo wir herkommen.“ Bei der Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten könnten verschiedene Apps helfen. Banse schloss mit den Worten, dass „nichts wichtiger für unsere Gesellschaft ist als der Sport, um auch die gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen angehen zu können“ und setzte damit zugleich den Schlusspunkt für den ersten Tagungsabschnitt. Am Nachmittag konnten die Trainer*innen in drei Workshops selbst aktiv werden. Marlene Wienold
Die Workshops der LSB-Trainertagung
Workshop I: Methodische Trainingsplanung – von analog zu digital (Marco Bäschlin und Marco Pargätzi)
Mit dem „Force8 Coach“ stellten die beiden Referenten ein Online-Management-System vor, das Vereinen und Verbänden ermöglicht, aus verschiedenen Modulen eine individuelle Plattform zu konfigurieren. Mit einfachen Tools soll die Trainingsplanung und -analyse erleichtert werden. Im Workshop konnten die Trainer*innen anhand von Legosteinen eine Trainingswoche „nachbauen“, indem sie für jede Trainingseinheit und jeden Trainingsinhalt den entsprechenden Stein wählten. Diese „Legopläne“ wurden anschließend ins Digitale transferiert. Durch den modularen Aufbau und unterschiedliche Ansichten für Trainer*innen und Athlet*innen könne das Management-System auf die eigenen Bedürfnisse angepasst werden. Die Referenten versicherten, dass die Datenschutzkonformität dabei garantiert sei.
Workshop II: Mut zur Authentizität (Henning Thrien)
Am Beispiel von Jürgen Klopp zeigte der Psychologe Henning Thrien im Workshop auf, was „authentisch sein“ bedeutet, nämlich „sich gemäß dem wahren Selbst auszudrücken.“ Zu diesem Selbst gehörten die zentralen Eigenschaften „Bewusstsein, Ehrlichkeit, Konsequenz und Aufrichtigkeit“. Veranschaulicht wurden diese Eigenschaften mit Positiv-Beispielen aus Thriens beruflicher Praxis und Erfahrungen aus seiner Zeit als Leistungssportler im Tennis. Imponiert habe ihm etwa ein Radsport-Trainer, der sich nicht von dem divenhaften Verhalten des größten Stars im Team habe einschüchtern lassen, sondern die sportliche Realität verteidigt habe – gegen Teammanager und Sponsoren. Der Erfolg als Trainer*in hänge eng mit Authentizität zusammen: „Man muss immer schauen: Was passt für mich als Trainer*in?“, so Thrien. Das hieße, nicht andere zu kopieren oder einer äußeren Norm entsprechen zu wollen, sondern zu reflektieren und für sich selbst einzustehen.
Workshop III: Gegen sexuelle Gewalt im Sport (Oliver Kalb)
Oliver Kalb, Leiter der Abteilung Gesellschaftspolitik beim LSB, erhält häufiger Anrufe, die nicht leicht verdaulich sind: Einige handelten von körperlichem oder psychischem Missbrauch, manche seien strafrechtlich relevant, andere seien Grenzverletzungen und bewegten sich in einer Grauzone. Fakt sei, „dass sexuelle Gewalt überall da stattfindet, wo Macht und Vertrauenspositionen ausgenutzt werden, um Opfer zur Befriedigung eigener sexueller Bedürfnisse zu zwingen“. Im Fokus des Workshops sollten aber keine negativen Zustandsbeschreibungen stehen, sondern die Frage, wie Kinder und Jugendliche im Sport besser geschützt werden können – in einem Bereich, wo Körperkontakt und Machtgefälle inkludiert sind. Als „Brandmelder“ gehe es darum, für das Thema zu sensibilisieren, hinzuschauen und Tabu-Themen anzusprechen. Kalb informierte über unterschiedliche Tätertypen und -strategien und gab den Trainer*innen praktische Verhaltensgrundsätze zum Fremd- und Eigenschutz mit auf den Weg. Wie schwierig es manchmal sein kann, alltägliche (Sport-)Situationen auf ihre potenzielle Gefährdung von Kindern und Jugendlichen hin zu beurteilen, konnten die Trainer*innen ganz praktisch erfahren: Sie mussten eine von Kalb vorgetragene Aussage beurteilen und sich je nach Grad der Zustimmung oder Ablehnung zwischen den Polen „Ja, geht gar nicht“ und „Nein, was soll schon sein“ im Raum positionieren.
Ansprechperson

Hauptgeschäftsführer
- t.kloth@lsb-rlp.de
- Telefon
- 06131 2814-465
- Standort
- Geschäftsstelle Mainz